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Bevor ich in die Schu­le kam, bevor ich auf Deutsch von 1 bis 10 zäh­len konn­te, konn­te ich be­reits auf Eng­lisch von 10 run­ter nach 1 zäh­len. Count­down. Ich kann­te auch die­ses Wort schon, wuss­te, was es be­deu­te­te. Ich war ein Kind des Space-Age, jenes ma­gi­schen Zeit­al­ters von 1960 bis 1969, in dem alles mög­lich schien.

Mit vier Jah­ren saß ich nachts auf dem Schoß mei­nes Groß­va­ters und schau­te mir mit ihm ge­mein­sam die erste Mond­lan­dung an. Ein Mo­ment, der für ihn, ge­bo­ren im Jahr als die Ge­brü­der Wright ihren ers­ten Flug voll­brach­ten, ge­nau­so ma­gisch war, wie für mich. Etwas un­vor­stell­ba­res spiel­te sich di­rekt vor un­se­ren Augen auf dem Fern­seh­schirm ab: ein Mann in einem selt­sam auf­ge­bla­se­n­en Anzug hüpf­te auf dem Mond herum. Man hörte seine Stim­me, man hörte die Stim­me eines an­de­ren Man­nes. Sie spra­chen Eng­lisch, ich ver­stand sie nicht, aber das "Over", mit dem sie ihre kur­z­en Sätze be­en­de­ten und dem immer ein kur­z­es Kla­cken und ein fie­pen­des Ge­räusch folg­te, brann­te sich in mein Ge­dächt­nis ein. So reden As­tro­nau­ten lern­te ich. Und sie reden immer mit "Hou­s­ton",wie ich auch lern­te. Auch ein Wort, das sich tief in mei­nen Wort­s­chatz ein­ge­gra­ben hat und immer noch glit­zert und glänzt. Als Kind wuss­te ich nichts von der ame­ri­ka­ni­schen Re­a­li­tät, von Ras­sis­mus und Armut ins­be­son­de­re in den Süd­staa­ten der USA und warum "Hou­s­ton" ge­ra­de in Hou­s­ton lag (das Raum­fahrt­pro­gramm der USA war in den 60ern auch ein rie­si­ges In­fra­s­truk­tur­pro­gramm). Für mich war das als Kind alles nur schie­re Magie, ein wahr­ge­wor­de­ner Traum: Wir Men­schen flie­gen zu den Ster­nen. Weil wir es kön­nen. Weil wir grö­ßer wer­den, über uns hin­aus­wach­sen wol­len. Weil wir ge­mein­sam sein wol­len. Darin lag alles, was ich mir als Kind wünsch­te.

Heute star­te­te mit vie­len Jah­ren Ver­zö­ge­rung das James Webb Space Te­les­co­pe. Es ist das größ­te und leis­tungs­stärks­te Te­le­skop, das je ge­baut wurde. Man will damit in die tiefs­ten Tie­fen des Welt­alls schau­en bis hin zum An­be­ginn aller Zeit. Weil wir es kön­nen. Weil wir grö­ßer wer­den, weil wir über uns hin­aus­wach­sen wol­len. Darin liegt un­se­re ganze Schön­heit.

Ver­wei­se

  1. https://webb­te­les­co­pe.org/
  2. https://blogs.nasa.gov/webb/
  3. https://www.jwst.nasa.gov/index.html