Bevor der mäßig er­folg­rei­che ame­ri­ka­ni­sche Schau­spie­ler Lex Bar­ker an­ge­sichts aus­blei­ben­der Rol­len­an­ge­bo­te 1957 nach Eu­r­o­pa über­sie­del­te, hei­ra­te­te er 1953 die Schau­spie­le­rin Lana Tur­ner. Lana Tur­ner war zu die­ser Zeit ein Su­per­star. Aus ihrer vo­he­ri­gen Ehe brach­te sie ihre da­mals 10-jäh­ri­ge Toch­ter Che­ryl mit in die neue Ver­bin­dung.

1957 of­fen­bar­te Che­ryl ihrer Mut­ter, dass sie seit Be­ginn der Ehe re­gel­mä­ßig von Bar­ker se­xu­ell be­läs­tigt und ver­ge­wal­tigt wor­den ist. Nach Aus­sa­ge von Che­ryl saß Tur­ner in der der Of­fen­ba­rung fol­gen­den Nacht mit einem Ge­wehr in ihrer Hand am Bett des schla­fen­den Lex Barkers und ziel­te damit auf sei­nem Kopf. Sie war zwar un­fä­hig ihn zu er­schie­ßen, zwang sie ihn am nächs­ten mor­gen das ge­mein­sa­me Haus zu ver­las­sen.

Nach ei­ni­gen Rol­len in ita­lie­ni­schen B-Fil­men wurde Bar­ker An­fang der 60er-Jahre in Deut­sch­land in sei­ner Rolle als Old Shat­ter­hand zum "Welt­star". In gut einem hal­b­en Dut­zend Ver­fil­mun­gen der Ro­ma­ne des Schrif­stel­lers Karl May ver­kör­per­te er das ide­a­li­sier­te Bild des "guten Deut­schen" im "Wil­den Wes­ten". Nach­dem die Film­rei­he Ende der 60er-Jahre man­gels wei­te­rer Er­fol­ge ein­ge­stellt wurde, schlug sich Bar­ker mit ei­ni­gen klei­ne­ren Rol­len, aber auch Ten­nis-Schau­kämp­fen durch. 1973 starb er in Folge eine Herz­in­farkts, der ver­mut­lich durch sei­nen jah­re­lan­gen Al­ko­hol­miss­brauch ver­ur­sacht war.

Lanas Toch­ter Che­ryl, die zu dem Zeit­punkt schon viele Jahre offen les­bisch lebte, mach­te die Ver­bre­chen Barkers in ihrer 1988 er­schie­nen Bio­gra­phie öf­fent­lich. Barkers ein­zi­ger Sohn (aus einer spä­te­ren Ehe Barkers) be­strei­tet diese bis heute.

In der deut­schen Öf­fent­lich­keit sind Barkers Taten weit­ge­hend un­be­kannt und Bar­ker ist für viele, ins­be­son­de­re für viele Män­ner, die mit den Ro­ma­nen und ihren Ver­fil­mun­gen als Kin­der auf­ge­wach­sen sind, bis heute ein nost­al­gisch ide­a­li­sier­ter Held ihrer Kind­heit. Er ist die Ver­kör­pe­rung der Sehn­sucht nach einer Welt, in der das Gute Dank der Kraft der Freund­schaft über das Böse ob­siegt.

Eine Sehn­sucht, die - das ahn­ten wir schon als Kin­der, als Jungs-, an­geichts der Ge­gen­wart nur noch rü­ck­wärts­ge­wandt Er­fül­lung fin­den kann. Der "Wilde Wes­ten" Karl Mays war immer nur eine Traum­land­schaft. Eine nost­al­gi­sche Traum­land­schaft, über­lie­fert aus einer längst ver­gan­ge­nen Zeit, als man noch sol­che Träu­me real haben konn­te. Es waren nicht un­se­re Träu­me, son­dern ge­borg­te Träu­me. Aber trotz­dem waren diese ge­borg­ten Träu­me, denen die Nost­al­gie von vorn­her­ein in­ne­wohn­te, für viele Jungs in mei­nem Alter ein Flucht­punkt aus einem be­drü­cken­den All­tag mit sa­dis­ti­schen Leh­rern, ge­wal­tä­ti­gen Vä­tern und ver­bit­ter­ten Müt­tern.

Und genau darum wird Karl May von er­wach­se­nen Män­nern in der ak­tu­el­len Dis­kus­si­on um zwei Kin­der­bü­cher, die außer der Name "Win­ne­tou" im Titel nichts mit den Ro­ma­nen Karl Mays ge­mein­sam haben, nun so ag­gres­siv ver­tei­digt: Es ist ein "safe place" aus Kin­der­ta­gen, den sie be­droht sehen, so il­lu­so­risch die­ser Ort des Rü­ck­zugs und der Si­cher­heit auch war. Es ist ihr "Ro­se­bud".