Wie man es schafft den Wi­der­stand der ku­ba­ni­schen Op­po­si­ti­on gegen die kom­mu­nis­ti­sche Dik­ta­tur, Han­nah Arendt und das Elend der Men­schen in Gaza für die ei­ge­ne schä­bi­ge Pu­bli­ci­ty und Selbst­in­sze­nie­rung zu nut­zen und dabei - was auch sonst - vom An­ti­se­mi­tis­mus zu schwei­gen, zeig­te am ver­gan­ge­nen Wo­chen­en­de die ku­ba­ni­sche "Per­for­mance-Künst­le­rin" Tania Bru­gue­ra:

Pa­läs­ti­na-Pro­tes­te bei Han­nah-Arendt-Le­sung: Künst­le­rin lud Stö­rer wohl selbst ein

De­mon­s­tran­ten spreng­ten die 100-stün­di­ge Lese-Ak­ti­on im Ham­bur­ger Bahn­hof in Ber­lin. Nun fragt Or­ga­ni­sa­to­rin Tania Bru­gue­ra, wo das Pro­blem sei. Ein Teil der Stö­rer kam of­fen­bar auf ihren Wunsch.

Die ku­ba­ni­sche Per­for­man­ce­künst­le­rin Tania Bru­gue­ra hatte im Ham­bur­ger Bahn­hof in Ber­lin 100 Stun­den Han­nah Arendt lesen las­sen wol­len. Es wur­den nur 88, dann wurde die Per­for­mance nach Pro­tes­ten pro-pa­läs­ti­nen­si­scher Ak­ti­vis­ten ab­ge­bro­chen.

Das war am Sonn­tag, 11. Fe­bru­ar. Nun äu­ßer­te Tania Bru­gue­ra per Ins­ta­gram auf ver­wir­ren­de Art nicht nur Ver­ständ­nis für die Pro­tes­t­ak­ti­on, son­dern schreibt auch, dass sie einen Teil der Ak­ti­vis­ten selbst ein­ge­la­den habe. „Whe­re Your Ideas Be­co­me Civic Ac­tions“ war die Per­for­mance be­ti­telt.

Genau ge­nom­men gab es am Sonn­tag zwei Pro­tes­t­ak­ti­o­nen. Wäh­rend sich am Nach­mit­tag 20 bis 30 Men­schen als „Ak­ti­vis­ten“ für eine Le­se­pas­sa­ge des Arendt-Tex­tes „Ele­men­te und Ur­sprün­ge to­ta­ler Herr­schaft“ an­ge­mel­det hat­ten und nach dem Ende ihrer Zeit wie­der ab­zo­gen, sind die Stö­rer am Abend nach An­ga­ben der Ver­an­stal­ter ag­gres­siv auf­ge­tre­ten. Wie ag­gres­siv, das kann man einem Video ent­neh­men, das eine Grup­pe na­mens Tha­wra auf Ins­ta­gram pos­te­te.

Die Künst­le­rin sowie die Le­sen­den wur­den be­schimpft und ag­gres­siv nie­der­ge­brüllt. „S­ha­me on you – Schämt euch“ oder: „Is­ra­el is not real – Is­ra­el gibt es nicht wirk­lich“ Und: „From the river to the sea …“. Laut Mir­jam Wen­zel, die Di­rek­to­rin des Jü­di­schen Mu­se­ums Frank­furt, die eben­falls an der Per­for­mance teil­nahm, sei einer der bei­den Di­rek­to­ren des Ham­bur­ger Bahn­hofs, Sam Bar­daouil, dabei be­spuckt wor­den.

Tania Bru­gue­ra spricht von „Gren­ze der Mei­nungs­frei­heit in Deut­sch­land“

Sie habe schon oft an Pro­tes­t­ak­ti­o­nen teil­ge­nom­men und ver­ste­he die In­ten­si­tät, die Ge­fühl­s­auf­wal­lun­gen, die Wut und Frus­tra­ti­on und auch die Fehl­trit­te, die bei einer sol­chen Ak­ti­on pas­sie­ren könn­ten. Des­halb sei sie zwar ver­letzt ge­we­sen, als einer der Ak­ti­vis­ten sie als etwas be­zeich­ne­te, das sie nicht sei, aber sie wisse eben, dass so etwas bei sol­chen Ak­ti­o­nen pas­sie­ren könne. Im Video sieht man, dass je­mand sie als pri­vi­le­gier­te Weiße be­zeich­ne­te, als „G­ringa“. Sie ver­ste­he und re­spek­tie­re aber auch, dass an­de­re, die als Ras­sis­ten be­zeich­net wur­den, eine an­de­re Per­spek­ti­ve hät­ten.

Sie sei gegen jede Form von Ge­walt und Dis­kri­mi­nie­rung, schreibt Bru­gue­ra. „Aber ist dies ein ge­walt­vol­les Er­eig­nis ge­we­sen? – Nein. – Haben sie die Le­sung un­ter­bro­chen? – Ja, das war das Haupt­ziel der Ak­ti­on. – Gab es phy­si­sche At­ta­cken? – Nein. – War es eine Kon­fron­ta­ti­on. – Ja, aber was ist das Pro­blem?“ Es ist nicht klar, von wel­cher der bei­den Ak­ti­o­nen sie hier spricht, viel­leicht geht es auch um beide.

Tania Bru­gue­ra heißt die Pro­tes­t­ak­ti­o­nen aus­drü­ck­lich will­kom­men, schreibt aber, dass sie die An­grif­fe auf die Di­rek­to­ren des Ham­bur­ger Bahn­hofs ver­ur­teilt. Dann macht sie dar­auf auf­merk­sam, dass diese weder die Po­li­zei ge­ru­fen noch An­zei­ge er­stat­tet hät­ten. Alles halb so schlimm also? Bru­gue­ra: Alle Vor­fäl­le seien mit An­stand und Ver­ständ­nis be­en­det wor­den.

Je­doch: Warum die Le­sung dann von ihr selbst ab­ge­bro­chen wor­den ist, ver­steht man jetzt nicht mehr. Noch am Sonn­tag hatte Bru­gue­ra nach dem Ab­bruch auf ihrem Kanal das State­ment des Ham­bur­ger Bahn­hofs ver­öf­fent­licht, aus dem her­vor­geht, dass sie wegen „Hass­re­de“ ihre Per­for­mance ab­ge­sagt hat. Seit­dem ist die deut­sche Öf­fent­lich­keit schwer in Wal­lung, auch, weil die „Pro­tes­t­ak­ti­on“ der Ak­ti­vis­ten von vie­len, etwa von der Stadt Frank­furt in Bezug auf Mir­jam Wen­zel, als an­ti­se­mi­tisch in­ter­pre­tiert wird. Das spielt für Bru­gue­ra of­fen­bar keine Rolle mehr.

Was sie noch schreibt: Ja, es gebe heute in Deut­sch­land eine Gren­ze, die sich auf die Mei­nungs­frei­heit aus­wir­ke.„Wir haben diese Gren­ze ver­scho­ben und in un­se­rem Fall hat das 88 von ge­plan­ten 100 Stun­den ge­dau­ert.“

Quel­le: Ber­li­ner Zei­tung