In der Reihe der offenen Briefe und Erklärungen, die alle möglichen Leute aus der Kunstwelt oder der Welt der Intellektuellen meinen gerade jetzt abgeben zu müssen, stellt "Philosophie für Palästina" (vermutlich zu einem großen Teil von Judith Butler verfasst) den absoluten moralischen, politischen und intellektuellen Tiefpunkt dar. Ein Manifest der grenzenlosen Selbstgerechtigkeit und des offenen und versteckten Hasses. Ein Manifest der Mitleidlosigkeit (auch gegenüber den palästinensischen Opfern der aktuellen Eskalation des Konflikts) und des totalen menschlichen Versagens. Und - was Butler und ihre Mitstreiter ironischerweise nicht einmal ansatzweise erkennen - ein Manifest der Überzeugung der eigenen Überlegenheit. Es ist ein sehr "weißes" Manifest von Menschen, die unendlich privilegiert sind.
Ich musste in meiner Erinnerung weit zurückgehen, um einen ähnlich schrecklichen Text zu finden. Es handelte sich um eine Erklärung der linksterroristischen deutschen Roten Armee Fraktion (RAF) zum Anschlag des Schwarzen September bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Eine Erklärung, die für ihren kaum verhohlenen Antisemitismus berüchtigt ist (Horst Mahler, damals noch Mitglied der RAF und einer der beiden Hauptautoren dieses Textes, wurde später zu einem der schrecklichsten Neonazis in Deutschland), eine Erklärung, die den Terror des Schwarzen Septembers vorbehaltlos als berechtigten Befreiungskampf bejubelt.